Seit 11 Jahren ist die Pflanzstelle in Köln Kalk verwurzelt. Als Gemeinschaftsgarten, nachbarschaftlicher Treff und eine der wenigen Grünflächen im Stadtteil verstehen wir uns als kritische Begleiterin und Akteurin des Geschehens im Stadtteil. Wir wenden uns mit diesem Brief an die Sozialpolitik der Stadt, da uns die zunehmende soziale Not in Kalk beunruhigt, wütend macht und zum Handeln auffordert.
Insbesondere in den letzten zwei Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich die sozialen Problemlagen in Kalk verschärft haben. Es ist deutlich sichtbar, dass der Stadtteil von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, Drogenproblematiken und Armutserfahrungen betroffen ist. Auch wir als Pflanzstelle setzen uns mit diesen Problemen auseinander und bekommen die Folgen davon zu spüren. Vermehrt suchen wohnungs- sowie obdachlose und drogengebrauchende Menschen in unserem Garten Schutz. Dies führt für uns zu Konflikten um die Raumnutzung – das gemeinsame Gärtnern tritt dadurch in den Hintergrund.
Wir sind solidarisch mit den Betroffenen der oben genannten Problemlagen. Jedoch merken wir, dass unsere Kapazitäten zur solidarischen Selbsthilfe gegenüber den Betroffenen nicht im Ansatz ausreichen, um ihnen nachhaltig zu helfen. Es braucht daher dringend politische Strukturen in Kalk, die sich diesen Problemlagen annehmen. So zeigt sich gerade hier geballt und intensiv das Versagen der bisherigen Sozialpolitik. Zunehmende Armut, steigende Mietpreise, ein diskriminierender Wohnungsmarkt, drohende Zwangsräumungen und Wohnungs- sowie Obdachlosigkeit sind ein gesamtstädtisches Problem und führen zur Verdrängung nach Kalk. Doch auch hier schreitet die Gentrifizierung voran und die Mieten sind für viele Menschen unbezahlbar geworden.
Die Stadt müsste zugunsten der Betroffenen handeln. Sie greift jedoch auf ein restriktives Sozialrecht zurück. Dabei setzt sie eher Polizei, Ordnungsamt und hochauflösende Videoüberwachung gegen die Betroffenen von Armut und weiteren Notlagen ein, anstatt an den dazu führenden Stellen einzugreifen. Wir lehnen diesen autoritären und repressiven städtischen Umgang mit Menschen in Not ab.
So geht es nicht weiter!
Anstelle der Repression und Verdrängung braucht es humane politische Lösungen. Daher fordern wir als Pflanzstelle:
– eine zeitnahe Eröffnung des Drogenkonsumraums in unserer Nachbarschaft mit 24/7-Öffnungszeiten
– finanzielle und personelle Sicherstellung sowie Aufstockung von Sozialarbeit: Streetwork und Fachberatungsstellen zum Beispiel Vision e.V., sowie Migrationsberatungsstellen
– Aufstockung des Projekts Housing First, übergangsweise eine voraussetzungsfreie, ganztätige Unterkunft in Kalk mit Einzelzimmern als Rückzugsmöglichkeit sowie eigene Schutzunterkünfte für Frauen und queere Menschen
– einen mobilen medizinischen Dienst für Kalk
– mehrere kostenlose öffentliche Toiletten
– niedrigschwelliger Zugang zu existenzsichernden sozialen Leistungen im Sozialamt und Jobcenter
– kommunale Wohnungsbestände mit dauerhafter Mietpreisbindung
– das Ende des repressiven Umgangs der Ordnungsbehörden gegenüber Menschen, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, Drogenproblematiken und Armutserfahrungen betroffen sind
– ein verpflichtendes Ausbildungs- und Fortbildungsprogramm für Fachkräfte der Ordnungsbehörden, um sie für einen achtsamen Umgang mit Menschen in Krisen zu schulen
– Das Ende der polizeilichen Kameraüberwachung in Kalk